Implementierungsdetails
Modellentwicklung und Training
Die Grundlage von Sepsis Watch entstand im Duke Institute for Health Innovation (DIHI), wo Forschende Deep-Learning-Techniken auf umfangreiche EHR-Datensätze anwendeten.[1] Die Trainingsdaten umfassten den Zeitraum 2008–2016 und mehr als 600.000 ED‑Besuche mit 42 klinischen Variablen, darunter Vitalzeichen, Laborwerte (z. B. Laktat, Leukozyten) und Zeitreihenmuster. Ein rekurrentes neuronales Netzwerk (RNN) wurde wegen seiner Fähigkeit ausgewählt, zeitliche Abhängigkeiten bei der Patientenverschlechterung zu erfassen, und übertraf traditionelle ML-Baselines wie XGBoost.[3] Hyperparameter‑Tuning und Kreuzvalidierung ergaben eine robuste AUROC von 0,922 bei 6 Stunden, 0,905 bei 4 Stunden, wobei Sensitivitäts-/Spezifitäts-Balancen für den klinischen Einsatz optimiert wurden (z. B. 85% Sensitivität bei 80% Spezifität).
Prospektive Validierung und Verfeinerung
Vor der Einführung unterzog sich Sepsis Watch einer prospektiven Bewertung in einem gehaltenen Datensatz aus 2017, wobei Echtzeitvorhersagen alle 15 Minuten simuliert wurden. Diese Phase bestätigte die Generalisierbarkeit, wobei das Modell Hochrisikopatienten 6 Stunden vor Erfüllen der Sepsis-Kriterien (Sepsis‑3-Definition) identifizierte.[4] Herausforderungen wie Datenlücken und Modell-Drift wurden durch Feature‑Engineering und periodische Retrainings adressiert. Kliniker-Feedbackschleifen verfeinerten die Alarmgrenzen und reduzierten potenzielle Fehlalarme von 20% auf unter 10%.
EHR‑Integration und Workflow‑Design
Die Integration in das Epic EHR war ein Eckpfeiler und nutzte SMART‑on‑FHIR‑Standards für einen nahtlosen Datenfluss. Warnungen erscheinen als Best Practice Advisories (BPAs)—passive Banner, die Pflegekräfte zur Einschätzung und Eskalation auffordern—und vermeiden unterbrechende Pop‑ups, die zu Ermüdung führen.[2] Das System verarbeitet Daten in Echtzeit über Dukes Data Warehouse und löst aus, wenn Risikowerte 0,25 überschreiten (kalibriert für PPV ~50%). Benutzerdefinierte Dashboards schaffen Transparenz und zeigen Vorhersagegründe (wichtigste beitragende Merkmale wie Hypotonie‑Trends).
Klinischer Rollout und Schulung
Der initiale Pilot begann im November 2018 in der Notaufnahme des Duke University Hospital und wurde bis März 2020 auf alle drei System‑Notaufnahmen ausgeweitet.[5] Über 200 Kliniker erhielten praxisnahe Schulungen durch Simulationen und Fortbildungen, mit Schwerpunkt auf Interpretation und Reaktionsprotokollen (z. B. Order‑Sets für Antibiotika). Das Change‑Management involvierte multidisziplinäre Teams—Pflegekräfte, Ärzt:innen, IT—um Vertrauen aufzubauen. Adoption‑Metriken, erhoben über Audit‑Logs, zeigten eine Alarmbestätigung von über 90% innerhalb weniger Stunden.
Laufende Überwachung und Skalierung
Nach der Einführung implementierte DIHI kontinuierliches Monitoring mit A/B‑Tests und Retraining alle 6 Monate anhand neuer Daten, um Drift entgegenzuwirken. Leistungsprüfungen bestätigten anhaltend AUROC >0,90 bis 2023. Herausforderungen wie COVID‑19‑Wellen testeten die Belastbarkeit; Anpassungen für hyperinflammatorische Zustände wurden vorgenommen. Heute überwacht Sepsis Watch jährlich Zehntausende von ED‑Patienten, beeinflusst nationale KI‑Richtlinien und inspirierte ähnliche Tools bei Duke (z. B. für Blutungen).[1] Dieser End‑to‑End‑Ansatz—vom Labor bis an das Krankenbett—zeigt skalierbare KI in der akademischen Medizin.