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Einleitung: Warum klassische UX an Grenzen stößt

In traditionellen Produktentwicklungszyklen entwerfen wir Interfaces für Nutzersegmente, definieren Personas und bauen monolithische Screens, die für viele Fälle funktionieren sollen. Diese Herangehensweise ist robust, aber träge: Sie skaliert nicht mit der Vielfalt von Nutzerintentionen, Rollen und Datenkonstellationen, die moderne Produkte bedienen müssen. Programmatic UX ist die Antwort auf diese Lücke — eine Denkweise, bei der dynamische Interfaces nicht mehr manuell für jeden Fall gestaltet, sondern von einer KI-gesteuerten Engine generativ erzeugt werden.

Wir bei Reruption sehen Programmatic UX als eine natürliche Evolution: Statt bestehende Designs zu optimieren, hinterfragen wir das ganze System. Wenn man heute eine Funktion neu bauen würde, wie sähe die UI aus, wenn sie sich kontinuierlich an Kontext und Ziel anpasst? In diesem Artikel zeigen wir die zentralen Bausteine, die Architektur und konkrete Beispiele aus der Praxis — inklusive Umsetzungen in Copilots und Content-Systemen.

Was ist Programmatic UX?

Programmatic UX bezeichnet ein Paradigma, in dem Oberflächen zur Laufzeit anhand von Regeln, Modellen und generativen Systemen zusammengesetzt werden. Das Ergebnis sind API-basierte UI-Bausteine, die je nach Nutzerrolle, Intent, Datenlage oder Prozessphase unterschiedlich kombiniert und konfiguriert werden. Anders als bei A/B-Testing oder Feature-Flags handelt es sich hier um eine fein granulare, kontextgetriebene Generierung von UI-Layouts und Interaktionen.

Das Ziel ist pragmatisch: Wir wollen die relevanten Informationen und Interaktionsmöglichkeiten genau dann und dort anbieten, wo sie den meisten Nutzen stiften — nicht früher, nicht später. Das führt zu höheren Conversion-Raten, weniger Klicks und einer deutlich besseren Nutzerzufriedenheit, weil die UI weniger Lärm und mehr relevante Handlungsmöglichkeiten enthält.

Kernbausteine einer programmatic UX

UI-Templates als flexible Rezeptsammlung

UI-Templates sind definierte Muster für Darstellung und Interaktion — aber sie sind keine starren Mockups. Ein Template beschreibt Komponenten, Layout-Constraints und Datenbindungen als deklarative Metadaten. In einer Programmatic UX laufen Templates in einer Engine zusammen, die entscheidet, welches Template wie angepasst wird. Templates fungieren damit als wiederverwendbare Bausteine statt als endgültige Screens.

Praktischer Tipp: Legen Sie Templates so an, dass sie parametrisiert sind (z. B. Priorität, Sichtbarkeit, Varianten). Das erlaubt der Generierungs-Logik, Inhalte zu priorisieren, ohne neue Templates schreiben zu müssen.

Intent-Modeling: Die semantische Steuerung

Intent-Modeling ist das Herzstück: Hier bestimmen wir, was der Nutzer erreichen möchte. Intents lassen sich mittels LLMs oder klassischer Intent-Classifier identifizieren und werden angereichert mit Kontext (Rolle, Historie, aktuelle Daten). Die Intent-Schicht übersetzt Ziele in UI-Aktionen — etwa: "Schneller Überblick", "Detailanalyse" oder "Sofort-Maßnahme" — und steuert damit welche Komponenten eingeblendet und welche Aktionen prominent gemacht werden.

Beispiel: Ein Vertriebsmitarbeiter sieht beim gleichen Kunden zwei unterschiedliche Interfaces — im Discovery-Modus prominent KPIs und Kontaktvorschläge, im Abschluss-Modus Vertrags-Checkboxen und Preisverhandlungstools. Die Intenterkennung entscheidet, welches Set ausgespielt wird.

Component Injection: Bausteine zur Laufzeit

Component Injection bedeutet, dass UI-Komponenten dynamisch in eine Seite injiziert werden — nicht beim Build, sondern zur Laufzeit. Komponenten sind kleine, isolierte UI-Elemente mit eigenem API-Verhalten und Zustand. Sie werden über ein Manifest registriert und können server- oder clientseitig orchestriert werden.

Wichtig ist ein robustes Sicherheitsmodell: Komponenten dürfen nur definierte APIs ansprechen und müssen in Sandboxen laufen, um unerwartete Seiteneffekte zu vermeiden. In Projekten wie Flamro haben wir erlebt, wie intelligente Chat-Komponenten modular in bestehende Portale integriert wurden und gleichzeitig sicher und performant blieben.

API-basierte UI-Bausteine

In einer modernen Architektur sind UI-Elemente keine statischen Templates, sondern API-getriebene Microfrontends: API-basierte UI-Bausteine liefern Struktur, Daten und Verhalten. Diese Bausteine sind unabhängig deploybar, versionierbar und lassen sich serverseitig kombinieren. Das erlaubt feingranulare Tests, einfachere Governance und klare Verantwortlichkeiten zwischen Produkt- und Engineering-Teams.

Ein praktischer Vorteil: Testing und Monitoring auf Ebene einzelner Bausteine werden möglich — wir messen Performance, UX-Metriken und Business-KPIs pro Komponente statt nur pro Seite.

Serverseitige Logik mit Python SSR

Server-Side Rendering (SSR) bleibt zentral — besonders wenn initiale Ladezeit, SEO oder Datensicherheit wichtig sind. Wir empfehlen eine hybride Architektur, in der die Kern-Entscheidungslogik serverseitig in Python läuft: Python SSR bietet schnelle Entwicklung, Reproduzierbarkeit und ein großes Ökosystem für Machine Learning. Die SSR-Schicht entscheidet, welches Template, welche Komponenten und welche Daten vorgerendert werden.

Durch Python-SSR können wir auch komplexe Intent-Modelle und Business-Logik konsistent ausführen und gleichzeitig minimale Client-Latenzen gewährleisten. In Proof-of-Concepts nutzen wir oft Python-Services, die eine generative Engine ansteuern, Templates zusammenbauen und das initiale HTML ausliefern — danach übernehmen clientseitige Microfrontends die Interaktion.

Architektur: Wie die Teile zusammenspielen

Eine robuste Programmatic-UX-Architektur hat vier Schichten: Daten- & Auth-Layer, Intent-Engine, Template/Orchestrator und Rendering-Layer. Daten kommen aus Backend-APIs, das Auth-System liefert Rolle und Berechtigungen, die Intent-Engine klassifiziert Nutzerziele, der Orchestrator wählt Templates und komponenten-slices, und die Rendering-Layer (SSR+Client) liefert das endgültige UI.

Operationalisierung: Wir trennen die Modellparameter (z. B. Schwellenwerte für Sichtbarkeit) von der Orchestrierungslogik und halten diese als konfigurierbare Artefakte. So lassen sich Änderungen am UI-Verhalten ohne Code-Deploys testen — ein wesentlicher Vorteil für agile Produktentwicklung.

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Praxisbeispiele: Copilots und Content-Systeme

Copilots: Adaptive Assistants statt starrer Chats

Copilots sind ein natürliches Einsatzfeld für Programmatic UX. Ein Copilot muss unterschiedliche Rollen erfüllen — Mentor, Operator, Recherchehilfe — je nach Kontext. Bei unserem Projekt mit Mercedes Benz haben wir erlebt, wie ein NLP-basierter Assistent candidate journeys in Recruiting-Prozessen gestaltete: Die gleiche Nutzeroberfläche zeigt Bewerbern andere Interaktionspfade als Recruitern, weil Intent-Modeling die relevanten Komponenten auswählt. Das Ergebnis: höhere Automatisierungsgrade, klarere Informationshierarchien und weniger manuelle Nacharbeit.

Konkreter Aufbau: Die Copilot-Engine identifiziert Intent, triggert passende UI-Templates (z. B. "Schnell-Qualifizierung" versus "Detail-Interview"), injiziert Komponenten wie Formular-Widgets oder Kalender und rendert das initiale Ergebnis serverseitig. Auf Client-Seite bleiben dynamische Handlungsmöglichkeiten erhalten, die der Nutzer sofort nutzen kann.

Content-Systeme: Dynamische Seiten statt statischer Templates

In Content-Plattformen wie Internetstores ReCamp oder FMG-gestützten Dokumentensystemen zahlt sich Programmatic UX ebenfalls aus. Anstatt jede Landingpage separat zu bauen, definieren wir Inhaltsblöcke und Regeln, die je nach Benutzersegment und Geschäftslogik zusammengesetzt werden. So bekommt ein Wiederverkäufer andere Prioritäten als ein Endkunde — ohne dass Redakteure jede Variante manuell erstellen müssen.

Beispiel: Ein Redaktionsteam pflegt Content-Blöcke in einem Headless-CMS. Die Programmatic-Engine entscheidet beim Seitenaufruf, welche Blöcke in welcher Reihenfolge ausgespielt werden — basierend auf Segment, Historie und Echtzeitdaten (Lagerbestand, Angebote). Ergebnis: relevantere Inhalte, weniger Bounce und gesteigerte Conversion.

Implementierungsleitfaden: Schritt für Schritt zur Programmatic UX

Die Einführung sollte iterativ erfolgen. Wir empfehlen die folgenden Schritte:

  • Use-Case-Scoping: Bestimmen Sie genau die Entscheide, die dynamisch sein sollen (z. B. Dashboard-Anordnung, Fehlerbehandlung, CTA-Priorität).
  • Intent-Katalog: Definieren und labeln Sie regelmäßig auftretende Intents mit Beispielen und Akzeptanzkriterien.
  • Template-Design: Erstellen Sie parametrische Templates – nicht fertige Screens.
  • Component-Registry: Bauen Sie ein manifest-basiertes System für wiederverwendbare Komponenten.
  • Python-SSR-Prototyp: Implementieren Sie eine SSR-Pipeline in Python, um Orchestrierung und Pre-Rendering zu testen.
  • Monitoring & KPIs: Messen Sie Relevanz, Time-to-action, Conversion und Performance pro Komponente.

Ein schneller Proof-of-Concept klärt häufig technische und organisatorische Fragen. Bei Reruption verwenden wir unser AI PoC-Angebot, um genau diese Hypothesen in wenigen Tagen zu validieren: Funktioniert das Intent-Model? Lässt sich die Template-Orchestrierung performant rendern? Welche Komponenten liefern den größten Impact?

Sicherheits-, Compliance- und Performance-Hinweise

Programmatic UX erhöht die Komplexität — daher müssen Sicherheit und Governance von Anfang an mitgedacht werden. Wichtige Punkte:

  • Datenschutz: Minimieren Sie personenbezogene Daten in Intents und führen Sie Data-Governance für Modelle ein.
  • Authorisierung: Rollen- und Berechtigungschecks dürfen nicht clientseitig entschieden werden.
  • Failover: Definieren Sie deterministische Fallback-Templates, falls Modelle oder Services ausfallen.
  • Performance: Nutzen Sie SSR für initiale Rendering-Pfade und cachebare Komponenten für wiederkehrende Sichten.

In Projekten mit industriellen Kunden wie STIHL und Eberspächer haben wir gelernt, dass Compliance-Vorgaben früh integriert werden müssen. Klare Ownership, Audit-Logs und Test-Suites für die Orchestrierung verhindern spätere Probleme.

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Messgrößen: Wie messen wir Erfolg?

Programmatic UX ist nur erfolgreich, wenn sie messbaren Mehrwert bringt. Relevante KPIs umfassen:

  • Time-to-Task: Wie schnell erreicht ein Nutzer sein Ziel?
  • Conversion per Intent: Vergleichen Sie Intents und deren Erfüllungsraten.
  • Component-Performance: Ladezeiten und Fehlerquoten pro Baustein.
  • Qualitative Nutzerzufriedenheit: Kurzbefragungen nach Interaktionen.

Wir empfehlen A/B- und Multi-Armed-Bandit-Tests für Variantensteuerung — aber auch qualitative Sessions, um zu verstehen, warum eine generative Anordnung funktioniert oder nicht.

Fazit & Call-to-Action

Programmatic UX ist mehr als ein Engineering-Trend: Es ist eine neue produktstrategische Haltung. Statt Benutzeroberflächen zu klonen oder monolithisch zu planen, ermöglichen wir adaptive, kontextbewusste Interfaces, die relevanter, kürzer und effektiver sind. Technisch basieren sie auf UI-Templates, Intent-Modeling, Component Injection und einer stabilen Python SSR-Schicht — orchestriert über API-basierte Bausteine.

Wenn Sie erleben möchten, wie sich diese Ideen in Ihrem Produkt auswirken, helfen wir gerne mit einem fokussierten Proof-of-Concept. Wir bringen Erfahrung aus Projekten mit Copilots und Chatbots (z. B. Mercedes Benz, Flamro) sowie Content- und Dokumentensystemen (z. B. Internetstores ReCamp, FMG) und kombinieren sie mit unserem Co-Preneur-Ansatz. Kontaktieren Sie uns, und wir zeigen in wenigen Tagen, ob sich Ihre Programmatic-UX-Hypothesen technisch und wirtschaftlich tragen.

Takeaway: Programmatic UX verschiebt den Fokus von festen Screens zu generativen, kontextbewussten Interfaces. Wer heute die Fähigkeit aufbaut, UI-Logik automatisiert und überprüfbar zu steuern, gewinnt Geschwindigkeit, Relevanz und Skalierbarkeit — und schafft damit echte Produktdifferenzierung.

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Philipp M. W. Hoffmann

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